1. Artikel: Eines der größten Vorurteile und Ängste gegenüber dem Gregorianischen Choral

In den nächsten Wochen werden wir eine Reihe von Artikeln für diejenigen unter unseren Lesern veröffentlichen, die das Gebet des Gregorianischen Chorals verstehen und möglicherweise sogar erlernen möchten. Diese Reihe trägt den Titel „Der Gregorianische Choral aus der Sicht eines Anfängers”. Außerdem werden wir uns damit befassen, was der Gregorianische Gesang für ein Kirchenmitglied und einen Gläubigen sein möchte bzw. sollte. Ich hoffe, dass diese Reihe von Beiträgen für Sie von Nutzen sein wird, besonders wenn Sie ganz persönlich auch um geistliches Wachstum und um Verständnis darum bemüht sind, den Sinn des Gregorianischen Gesangs und seinen Platz in der Weltkirche zu erkennen.

Bevor ich auf die Gregorianik selbst eingehe (ihre Geschichte und ihren Ursprung, ihre Spiritualität, ihre Notation, ihren Platz in der Liturgie, ihre gegenwärtige Situation und Bewertung oder auch Wertschätzung in der Weltkirche), ist es notwendig, eines der größten Vorurteile über die Gregorianik und die Ängste vieler Gläubiger, die mit ihr nicht vertraut sind, im Detail aufzudecken.

Gegenüber dem Gregorianischen Choral bestehen viele Vorurteile. Das häufigste: die Verwendung der lateinischen Sprache. Mehr noch als die außergewöhnlich anmutende Musik und der Gesang selbst ist dies der Hauptgrund dafür, dass der Gregorianische Choral nicht mehr weltweit in allen Kirchen und Religionsgemeinschaften gepflegt wird. In der Tat kann man heutzutage beobachten, dass jeder Vorschlag, die Liturgie in Latein zu singen, mit einem schallenden „Nein” abgelehnt wird. Die Gründe dafür sind vielfältig: Die Leute wollen nicht lateinisch singen, denn kaum jemand versteht es, und die Aussprache ist Vielen zu kompliziert. Es handelt sich hierbei um einen Gesang der Tridentinischen Messe für die Traditionalisten. Aus heutiger Sicht würde dies angeblich eine Rückentwicklung, einen Rückschritt bedeuten. Sie wurde abgeschafft vom Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) vor allem mit dem Ziel, die Volkssprachen zu fördern und den Gläubigen die einzelnen Phasen der Liturgie verständlich zu machen. Im Gegensatz zu anderen Religionen, die ihre alte Sprache für die Liturgie beibehalten haben, hat die Apostolische und Römische Kirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil der jeweiligen Volkssprache den Vorzug gegeben und ist damit der Tendenz der protestantischen Kirche gefolgt. Das gibt viel Stoff zum Nachdenken…

Hier offenbaren sich nicht nur die Ängste, sondern auch die mangelnde Bildung, die Unwissenheit und die Vorurteile der Gläubigen gegenüber etwas, das für die Kirche so wertvoll ist wie eben gerade Latein und der Gregorianische Choral. Die Verantwortlichen für die liturgischen Dienste meinen die „Einheit” durch die Volkssprache zu fördern (ich denke, aus Unwissenheit), während sie in Wirklichkeit meines Erachtens eine Ursache für Uneinigkeit sind und offen dem widersprechen, wozu uns das Lehramt der Kirche ermahnt.

Der Gregorianische Gesang und die lateinische Sprache werden heute wie eine verleumdete Person behandelt, über die man ungute Gerüchte verbreitet. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Der Gregorianische Choral ist ein gesalbter Gesang, denn er ist absolut rein für und mit Gott. Jedes Gebet ist durchdrungen von Gottes Wort und seiner Herrlichkeit. Und wenn die Gläubigen heute in die Klöster, in die Pfarreien, Seminare und Workshops kommen, in denen der Gregorianische Choral gepflegt wird, bauen sie ihre Vorurteile ab, insbesondere wenn sie sich zuvor mit den Quellen beschäftigt haben. Gemeint ist die Lektüre alter Texte der Kirchenväter, die stets die Heiligkeit des Gregorianischen Chorals und der lateinischen Sprache verkündeten.

Heutzutage geben die offiziellen Dokumente der Kirche den Gläubigen klare Anweisungen für den Gebrauch der lateinischen Sprache in der Liturgie. Diesbezüglich schreibt Papst Benedikt XVI. in dem nachsynodalen apostolischen Schreiben Sacramentum caritatis: „Um die Einheit und Universalität der Kirche besser zum Ausdruck zu bringen, möchte ich empfehlen, was die Bischofssynode in Übereinstimmung mit den Normen des Zweiten Vatikanischen Konzils vorgeschlagen hat: Mit Ausnahme der Lesungen, der Homilie und des Gebets der Gläubigen wäre es wünschenswert, die lateinische Sprache zu verwenden. Die bekanntesten Gebete der kirchlichen Tradition könnten ebenfalls auf Latein rezitiert werden, und eventuell könnten einige Teile der Liturgie mittels des Gregorianischen Chorals gesungen werden. Ganz allgemein bitte ich darum, dass künftige Priester vom Priesterseminar an darauf vorbereitet werden, die Heilige Messe in Latein zu verstehen und zu zelebrieren sowie in Gregorianischen Gesängen lateinische Texte zu verwenden, und dass die Gläubigen selbst mit den gebräuchlichsten Gebeten in Latein vertraut gemacht werden und in einigen Teilen der Liturgie Gregorianische Gesänge zur Anwendung kommen”. Nur sehr wenige Menschen scheinen diesen Text zu kennen und neigen dazu, ihre Meinung auf hergeleitete Meinungen zu stützen.

Wenn wir zurückblicken, um herauszufinden, wann Latein in der Liturgie eingeführt wurde, sehen wir, dass der Übergang vom Griechischen zum Lateinischen im zweiten Jahrhundert stattfand. Ich erlaube mir, respektvoll auf die Bischöfe und Priester hinzuweisen, denn sie sind diejenigen, die die Autorität und die Verantwortung für diese ganze Situation haben und für das, was während der liturgischen Feiern geschieht. Sie sollten wissen, dass Latein und der Gregorianische Choral in der Kirche Vorrang haben. Wie ist also das Fehlen der lateinischen Sprache in der Heiligen Messe und im Offizium zu rechtfertigen? Die Ursache liegt in mangelnder Ausbildung in den Priesterseminaren und säkulare Vorlieben, die die Gläubigen vom heiligen Charakter der Kirche entfremden! Man möchte fragen: Warum sollte der Gebrauch der lateinischen Sprache schaden, wenn doch die Liturgie nun seit über tausend Jahren in lateinischer Sprache gefeiert wurde? Heute gibt es nur sehr wenige Priester, Orden und Gläubige, die sich für die Verteidigung der alten Sprache im Gottesdienst einsetzen, obwohl das eigentlich jeder von uns tun sollte. Indem wir die lateinische Sprache aufgrund mangelnder Sensibilität abschaffen und nicht anerkennen wollen, vernachlässigen wir einen Teil von uns als mystischen Leib Jesu: den Gesang und die Gebetsstimme der Kirche, die Gregorianik. Das Schlimmste hierbei jedoch ist, dass dadurch die Liturgie säkularisiert, also ihre Form und die Bindungen an die Traditionen der Kirche mehr und mehr gelockert wird.

Dennoch hat die Kirche Latein immer als die liturgische Sprache des Gebets, der Erhebung, der Feierlichkeit und der Heiligkeit betrachtet, „Etwas, das die Volkssprachen nicht besitzen, weil sie nicht heilig sind”, wie die berühmte niederländische Latinistin Christine Mohrmann sagen würde. Wenn Latein in einer Pfarrei verwendet würde, wäre es wie mit allem anderen: Mit der Zeit würden die Gläubigen es sich aneignen. Zum Beispiel: Pater noster bedeutet unser Vater oder santus heilig. Aber das Vorurteil reicht bis zu der Annahme, dass Latein ausschließlich für die Tridentinische Messe sei, während es in Wirklichkeit für die Liturgie des Römischen Ritus gilt. Weder die „Ordentliche Form” noch der Novus Ordo werden zur Tridentinischen Messe, nur weil man Gregorianische Gesänge verwendet oder auf Latein betet.

In der Abtei Notre-Dame de Fidélité in Jouques zeigen die am Neumz-Projekt beteiligten Benediktinerinnen, dass es möglich ist, das Ostermysterium in der alten Form zu feiern und Gott zu verherrlichen, auch wenn die jüngeren Nonnen anfangs kein Latein verstehen. Die Nonnen von Jouques, die die Liturgie in der ordentlichen Form des Römischen Ritus feiern, verherrlichen Gott in der Heiligen Messe und im Offizium jeden Tag des Jahres mit Gregorianischen Gesängen. Die lateinische Sprache und der Gregorianische Choral erfüllen in diesem Kloster ihre liturgische Funktion. Wer hierher kommt oder Exerzitien abhält, kann die Einheit mit der Kirche erfahren, denn alles dreht sich um Gott. Das allein sollte genügen.

Dies bringt mich dazu, über eine alltägliche Frage der Kirche nachzudenken: Inwieweit nützt uns die Volkssprache und fördert die Universalität, vor allem wenn die liturgischen Texte ständig verändert und säkularisiert werden? Es ist beunruhigend, dass niemand etwas beanstandet, oder wenn doch, dass er ignoriert wird. Warum behaupten viele, die Messe auf Latein nicht zu verstehen? Wer ihren Ablauf und Inhalt kennt, weiß beispielsweise was das Ostermysterium bedeutet und dass alles der Verherrlichung Gottes dient. Dafür muss man kein Latein verstehen, aber man muss den Glauben haben und für die liturgischen Zeichen sensibel sein. Letztlich muss die Bereitschaft vorhanden sein, die Einheit der katholischen Kirche zu fördern und die Liturgie in ihrem Wesen durch das Mysterium Christi zu schützen. Das ist etwas, das uns allen obliegt, denn es geht nicht darum, in jeder Pfarrei individuelle Praktiken zu fördern, die dem Geschmack und den Vorlieben der einzelnen Gemeinden entsprechen. Das macht uns nicht zur Universalen Kirche.

Ich beende diesen Artikel mit den Worten von Schwester Rocío de Jesús, einer Ordensfrau aus Daimiel: „Nachgeben, um die Einheit mit anderen zu erleichtern”. Ich glaube, dass Gott uns durch sie die Antwort in sehr einfachen Worten übermittelt, die darin besteht, zum Wohl der Kirche nachzugeben. So wie wir uns bemühen, viele Dinge im Leben zu lernen, könnten wir aber auch Latein lernen, da es uns geistig nützt und uns dem Gregorianischen Choral näherbringt. Dies ist der Anfang zwischen dem Menschlichen und dem Göttlichen, dem Irdischen und dem Himmlischen. Darin besteht der Sinn der Religion, nämlich in der Verbindung zwischen dem Endlichen und dem Unendlichen… Und als gemeinsamer Nenner von Himmel und Erde erhebt sich der Gregorianische Choral, um den Ewigen Vater zu verherrlichen.