Neumz – Gregorian Chant

Warum wird das Gloria in der Adventszeit ausgelassen?

©Les Très Riches Heures du Duc Jean de Berry,  musée Condé à Chantilly (France), Fol. 48v, s. XV

Das Gloria ist ein feierlicher und ehrwürdiger Hymnus, in dem der Komponist die Größe Gottes verherrlicht. Das älteste Zeugnis für den lateinischen Text ist das handschriftliche Antiphonar von Bangor, das auf das Jahr 690 zurückgeht. Ursprünglich wurde das Gloria in der Liturgie nur einmal im Jahr gesungen, und zwar in der Christmette. Der Hymnus verherrlicht den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, und verkündet, was die Dreifaltigkeit vollbracht hat. In der Grundordnung des Römischen Messbuchs (GRM) steht unter Nr. 53: „Der Text dieses Hymnus kann nicht gegen einen anderen ausgetauscht werden. Das Gloria wird gesungen oder gesprochen an allen Sonntagen außerhalb der Advents- und Fastenzeit, ebenso an Hochfesten und Festen sowie bei besonderen Feiern von größerer Festlichkeit”. Auch im Kyriale Romanum erscheint das Gloria nur bis zur 15. Messe unter den Gesängen des Ordinariums. Die 17. und 18. Messe sind für die Advents- und Fastenzeit in Feriis und in Dominicis (täglich und sonntags) vorgesehen.

Warum also singt die Kirche an den Adventssonntagen nicht „Ehre sei Gott in der Höhe…“? Jesús Castellano erklärt in seinem Buch El año litúrgico Memorial de Cristo y mistagogía de la Iglesia (Das liturgische Gedenkjahr Christi und die Mystagogie der Kirche), dass die Auslassung des Gloria in der Liturgie an den Adventssonntagen eine psychologische und pädagogische Funktion erfüllt: vor dem Weihnachtstag soll kein feierlicher und erhabener Gesang erklingen. Außerdem soll der Charakter der Fastenzeit nicht verändert werden.

Joseph A. Jungmann S.J. kann uns in seinem Buch The Mass of the Roman Rite. Its Origins and Development helfen, den Grund besser zu verstehen, weshalb dieser Engelsgesang nicht in der Adventszeit vorkommt: „In der Struktur des Gloria sind drei Abschnitte deutlich erkennbar: Der Gesang der Engel in der Geburtsnacht, der Lobpreis Gottes und die Anrufung Christi. Mit dem Kommen Jesu wird Gott glorifiziert und den Menschen der Friede gegeben.” Pater Joseph Jungmann meint, dass das Gloria als Verkündigung eines Plans zu sehen ist, der mit der Geburt Jesu und seinen leidvollen Tod begann und noch vollendet werden muss. Aus dieser Perspektive heraus lässt sich der doppelte Charakter des Advents erklären, und die Tatsache, dass der Verfasser auch auf das zweite Kommen Christi hinweist. Das ist der Grund, weshalb wir an den Adventssonntagen das Gloria in der Liturgie auslassen. Wir wollen die Freude und die Sehnsucht nach dem, was während des Mysteriums der Erlösung geschehen wird, erleben, und das Reich Gottes, den Advent, für die Verwirklichung von Gottes Plan für die Menschheit feiern. Nun ist klar, weshalb wir das Gloria nur am Weihnachtstag singen.

Die Botschaft des Gloria war damals, als die Engel sie am Weihnachtstag singend übermittelten, so echt, wie sie es heute noch ist, wenn wir Gloria in excelsis Deo (Ehre sei Gott in der Höhe) singen. Warten wir daher auf und sehnen wir uns mit brennendem Herzen nach dem Tag der Geburt Christi als versammelte Kirche, um mit den Engeln das Gloria zu singen: im Namen des Heiligen Geistes, um Gott, den Vater, zu verherrlichen und das Lamm zu preisen… Friede sei den Menschen! Bitte schließen Sie sich dem Neumz-Team und den Nonnen von Jouques an und singen Sie mit Freude das Gloria IX.

©Text von Catherine Restrepo